Die Entwicklung der Betreuungspolitik in Deutschland

Die Betreuungspolitik hat die Aufgabe, Familien bei der Kinderbetreuung zu unterstützen. Um Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, sind zahlreiche Familien auf den Staat angewiesen. Der Staat schuf dafür zahlreiche Strukturen. Die Art der Kinderbetreuung hängt eng mit der jeweiligen Gesellschaftsform zusammen. Die deutsche frühkindliche Betreuungspolitik hat eine im Vergleich zu anderen Ländern lange Tradition.

Die Anfänge der Betreuungspolitik in Deutschland

Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden in Deutschland die ersten Kindergärten. Wenig später folgten ganztägige Kindertagesheime, in denen Arbeiterkinder während der Arbeitszeit ihrer Eltern betreut wurden. Bürgerkinder, dessen Mütter in der Regel nicht erwerbstätig waren, besuchten stattdessen Halbtagskindergärten.
In der Weimarer Republik waren die Eltern vordergründig für die Betreuung ihrer Kinder selbst verantwortlich. Während des Nationalsozialismus rückte die staatlich organisierte Kindererziehung verstärkt in den Vordergrund. Neugeschaffene Institutionen übernahmen große Teile der kindlichen- und jugendlichen Erziehung.

Die Betreuungspolitik seit dem Zweiten Weltkrieg

Während der deutschen Teilung (1949-1990) unterschied sich die Betreuungspolitik erheblich voneinander. In der Bundesrepublik Deutschland (BRD) herrschte das Leitbild der Vorrangstellung der Familie bei der Kindererziehung. Dass die Mütter mehrere Jahre zu Hause blieben und sich vordergründig um die Kinderbetreuung und -erziehung kümmerten, stellte kaum jemand in Frage.
In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) dagegen dominierte das sozialistische Frauenbild der erwerbstätigen Mutter. Hierzu schuf die DDR-Regierung in den Anfangsjahren ein dichtes Netz an Kinderbetreuungseinrichtungen. Nicht selten gaben Mütter Ihre Kinder bereits wenige Monate nach der Geburt in die Krippe und kehrten an Ihren Arbeitsplatz zurück.
Die institutionalisierte Familienpolitik, wie wir sie heute kennen, hat ihren Ursprung 1953. In diesem Jahr gründete sich in der Bundesrepublik Deutschland das Bundesministerium für Familienfragen, heute das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). 1979 schuf die damalige sozialliberale Regierungskoalition den bezahlten Mutterschutzurlaub. Diese Maßnahme war zunächst auf erwerbstätige Mütter beschränkt. Mit der Einführung des Erziehungsurlaubes und –geldes 1986 endete diese Exklusivität. Seitdem steht beiden Elternteilen eine bezahlte Betreuungszeit zur Verfügung. In den Folgejahren passte die Politik die Höhe des Erziehungsgeldes sowie den Zeitraum des Kündigungsschutzes mehrfach an.
Mit der Wiedervereinigung näherten sich beide Betreuungssysteme an. Nichtsdestotrotz existiert in der Bundesrepublik bis heute kein einheitlich angewandtes Konzept. Die tatsächliche Betreuungssituation in den neuen und alten Bundesländern ist nach der Wiedervereinigung weiterhin durch diese Zweiteilung geprägt. Der Anteil der Krippenkinder ist in den neuen Bundesländern um ein vielfaches höher als in Westdeutschland. Ähnlich verhält es sich mit der zeitlichen Länge der Kinderbetreuung. Während in den alten Bundesländern Halbtagseinrichtungen überwiegen, sind in Ostdeutschland Ganztageseinrichtungen die Regel.
Welche weitreichenden Reformen ab 2000 durchgeführt wurden, erfahren Sie im zweiten Teil.